Vini di Vini – Spannung trifft auf Männerabend – Nov 2023

Bolgheri - Tuscany - Napa - Pfalz - Alto Adige

 Nach 2019 war es wieder soweit. Die fast identische Herrenrunde von damals trifft sich erneut bei Ralph Sauer in seinem kleinen aber feinen Weinladen Vini di Vini in Dreieich.

Vier Jahre sind eine lange Zeit und so freuen wir uns hier alle wieder zutreffen. In Erinnerung an diesen legendären Abend ist die Vorfreude groß.

 Ralph´s Motto am heutigen Abend Italien. Ich bin ja immer offen für Neues und pflege ja auch mein Image, dass ich nicht so auf Italien stehe und andere Winzer auf dem Globus auch hübsch sind. Und so kann er sein geplantes Motto auch nur bedingt durchhalten.

 

Beim Stöbern durch seinen Laden fällt mir der Shafer TD9 ins Auge. Eine Weinlegende die heute unbedingt mit auf den Tisch muss. Herausgefordert durch meine Anregung verschwindet Ralph in der Ecke hinter seinem Tresen und kramt eine Pulle mit einem dunkel gehaltenen „Geisteretikett“ hervor. Bei unserem letzten Besuch hieß es noch die Qualitätsstufen in seinem Laden steigern sich in den Regalwänden von unten nach oben. Jetzt lernen wir, dass sich die Endstufe in einer kleinen Ecke hinter dem Tresen versteckt hält. Weine nur für "Kennner". Na dann kommt das Zeug doch mal direkt in die Probierreihe und wird mit dem TD9 auch sofort dekantiert. Ich halte den Lamarein von Josephus Mayr vom Erbhof Unterganzer in Händen. Mayr produziert jedes Jahr ca 1000 Flaschen von dem Stoff. Erst einmal ist es „nur“ ein Lagrein – ja ok, ein rarer Lagrein. Da ich auf Lagrein stehe und Ralph mir die Pulle mit den Worten in die Hand drückt „vergiss alles was Du über Lagrein denkst“ bin ich logischerweise angefixt und packe den Geistertrunk in die Reihe. Es wird unser letzter Wein des Abends … vor dem Absacker … dachte ich zu dem Zeitpunkt.


  Meine Augen fallen dann auch noch auf einige Weine der Tedeschi's, von denen mich Ralph zurückhält und mich stattdessen zum Amarone von Bertani drängt. Wo passt der am besten in die Reihe des heutigen Abends? "Den nehmen wir zum Schluss " schlägt Ralph vor. Interessante Idee, warum nicht mal einen Amarone als Absacker ... geht klar. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht wie sich der Abend entwickeln würde ... obwohl ... na klar hatte ich noch was im Auge ... aber der Flow muss sich ja erst einmal entwickeln.

 

 Na dann kann es jetzt ja endlich los gehen. Ralph stellt uns kurz das Menü des heutigen Abends vor. Crostini, Salami & Schinken, ein Ragout mit Spätzlen – so weit so lecker. Zu unserer Irritation wird es dann noch einen süßen Nachtisch geben. Ralph ! was ist los, das hier ist ein Männerabend ! Wieso kein Käse zum Abschluss, oder besser noch ein Steak ? Weil seine Frau gesagt hat er müsse uns was Süßes zum Schluss machen, das gehört sich so. Na gut … wenn seine Frau das sagt … dann wiedersprechen wir da lieber auch nicht … obwohl 😉.

 

 Wir machen es uns am langen Stehtisch im kleinen Vini Di Vini gemütlich. Es wird eine Stehparty, was aber nicht weiter stört, da eh jeder mit jedem quatscht und wir so mit unseren Gläsern gemütlich durch den Laden schlendern können. So wie Frauen sich von einem Kleiderständer zum nächsten bewegen, so geschmeidig schlendern wir am heutigen Abend immer wieder an der Regalwand von links nach rechts, nur um sicher zu stellen, dass wir nicht doch noch das tollere Kleid übersehen haben 🤣.

 

Wir starten erst einmal traditionell mit einem weißen Kleid:

 

Manincor, Reserve del Contessa, Alto Adige, 2020 (19€).

 

Die Weißwein Cuvee aus Pinot Blanc, Chardonnay und Sauvignon Blanc ist dezent frisch, mit ein wenig Pfirsich und noch weniger Zitrus Aromen. Dazu genießen wir ein Mango-Creme-Bruschetta als ersten Tapa Gang. Die Contessa wäre als Solo-Künstler zu schwach. In Kombination mit der Mango entpuppt sich der Wein als ein echter Volltreffer. Die Mango Aromen verschmelzen perfekt mit diesem dezent fruchtigen Wein. Ein toller Start. 9,2.

 

Felsina, Chianti Classico Berardenga, Toskana, 2020 (15€).

 

Ich sag mal so, jetzt war ich aber doch etwas irritiert als Ralph uns diesen Wein auf den Tisch stellt. Chianti´s an sich gehören eher zu den Weinen die durch ihre enormen Tannine jegliches Geschmackserlebnis killen, insbesondere wenn sie noch jung sind. 2020 ist jung. Ja, da sind irgendwo Kirscharomen und ja da sind vermutlich auch irgendwo noch ein paar Kräuter, vor allen Dingen ist da aber das typische Chianti Tannin. Eckig, sperrig, muss nicht sein. 8,0.

 

Ok, zugegeben ... für einen Chianti ganz ok, aber dann doch bitte gleich einen Ruffino, Chianti Classico Gran Selezioni Reserva Ducale Oro. Der liegt zwar bei 28€ ist aber DIE Wohltat schlechthin unter den Chianti´s !

 

Monte Antico, Supremus, Maremma, 2018 (20€).

 

Jetzt gibt’s Ragout mit Spätzlen und dazu eine echte Geschmacksbombe. Die Cuvee aus 75% Sangiovese, Merlot & Cab Sauv ist schon in der Nase unglaublich druckvoll. Beerenexplosion in der Nase, die Augen entdecken eine dichten tief rubinroten Wein. Und im Mund ? In erster Linie ist der Wein unglaublich samtig und weich. Ein irres Mundgefühl. Wir lassen uns Zeit und wollen erst einmal nicht schlucken. Beerenkompott mit viel Schattenmorellen und Blaubeeren. Dazu jede Menge Karamell und stoffige Griffigkeit. Das Weingut bezeichnet den Wein selber als Supertuscan. Geschmacklich passt diese Beschreibung auf jeden Fall.  Und der Preis ist unglaublich! 9,7.

 

Poggio del Concone, Toscana IGT Rosso, 2018 (15€).

 

Das Weingut produziert nur 2 Weine. Mit dem Toscana IGT haben wir „nur“ den 2t Wein im Glas. Es handelt sich um die gleiche Trauben Cuveé wie beim Supremus und doch sind die beiden Weine so unterschiedlich. Der Concone ist Merlot dominiert und kommt durckvoll aber ganz anders in der Nase an: schwarze Jo-Beeren, dunkle Kirschen, Pflaumen & Kakao. Im Mund ist der Wein deutlich strukturierter und weniger Cremig als der Supremus. Seine Mineralität macht den Wein eckiger, kantiger und deutlich anspruchsvoller als der Supremus. Im Mund ist er in erster Linie würzig, salzig, pfeffrig. Die Beerennoten sind dazwischen spannend verteilt. Ein unglaublicher Wein. Supremus & Concone können unterschiedlicher kaum sein. Femininer Supremus trifft auf maskulinen Concone. 9,8.

 

Ridge Vinyards, Lytton Springs, Napa, 2020 (49€).

 

Wir springen aus der Toskana ins Napa Valley und gönnen uns mit Lytton Springs direkt mal ein Schwergewicht. Der Wein ist eine üppige, aber zugleich elegante Cuvee aus Zinfandel, Carignan, Mourvedre & Petite Syrah. Beerenkompott trifft auf geschmeidige Würznoten. Etwas Pfeffer, etwas Tabak. Der Wein ist bei allem Druck und Ausdruck insbesondere wegen des perfekt eingebundenen Tannins trotzdem leicht und extrem trinkig. Ridge Vinyards gehört zu den Pionieren im Napa und gilt vielen Weingütern der Region als Vorbild. 9,8.

 

Shafer Vinyards, TD-9, Napa, 2019 (78€).

 

Wir reisen von Ridge ca 1 h südlich. Shafer ist dann nur noch 1h von der Golden Gate Bridge entfernt. TD-9 ist das Traktormodel auf dem Shafer bei der Gründung des Weinguts 1973 fuhr. Der Wein ist alles andere als ein Traktor. Der Wein ist im Vergleich zum Lytton Springs deutlich dichter, druckvoller und Napa-süßer. Die Cuvee aus Merlot, Cab Sauv & Malbec ist bei allem Druck und Süße differenziert und erzeugt einen enormen Trinkfluss. 9,7.

 

Josephus Mayr Unterganzer, Lamarein, Alto Adige, 2019 (80-100€).

 

Der Wein wird im Netz zu Preisen zwischen 80 und 100€ gepriesen ist jedoch notorisch ausverkauft weil die Mengen so gering sind, das nur einige wenige Händler den Wein per Zuteilung bekommen. Das Weingut liegt in der Nähe von Bozen und gehört somit zum Alto Adige. Die Lagrein Traube ist die klassische Rebe aus der Region.

 

Ralph schenkt uns den Wein kommentarlos und blind ein. Was wir hier im Glas vorfinden bläst uns im wahrsten Sinne des Wortes aus den Schuhen. Mit geschlossenen Augen haben wir einen typischen Bolgheri mit seiner enormen Differenziertheit und Frische im Glas. Es wird sofort klar, dass dieser Wein der Geschmackssieger des Abends wird und selbst den Monteverro to come in den Schatten stellen wird. Die Trauben der ca 25jährigen Reben werden vor dem Pressen an der Luft angetrocknet (Appassimento Verfahren), anschließend in Beton und Holz ausgebaut.

Das Ergebnis ist eine abgefahrene Mischung aus Maskulinität, Expressivität, unendlicher Länge, irrem Trinkfluss und dem spontanen Verlangen sofort eine Kiste davon zu kaufen – wenn es sie denn gäbe. Hochintensives Bouquet aus Heidelbeeren und dunkeln Jo-Beeren wie ich es vorher noch kaum in der Nase hatte. Der Wein ist so dicht und kompakt wie ein Amarone, dabei aber zugleich differenziert und ausdrucksstark wie ein Supertuscan. Perfektion für alle Sinne. 10,0.

 

Es noch zu früh nach Hause zu gehen und zu früh für den Absacker Wein … und schon greift einer aus der Herren ins Regal …

 

Knipser, Cuvee XR, Pfalz, 2018 (68€).

 

Dieser Wein ist immer eine Freude. Es ist sicherlich Deutschlands beste Bordeaux/Supertuscan Cuveé. Nach 3 Jahren Flaschenreife ist der 2018er erst seit diesem Jahr auf dem Markt. Cab Franc, Cab Sauv & Merlot perfekt ausbalanciert und druckvoll. Und wieder schmeckt diese Cuvee komplett anders. Kein Vergleich mit den Tuscans des heutigen Abends, kein Vergleich mit den Napa Kollegen. Alleinstehend. Der Wein ist extrem konzentriert und stoffig. Eher auf der femininen als auf der maskulinen Seite. Beerenkompott, rote Paprika, Kaffee, Tabak. Einer meiner Homy-Lieblinge. 9,8.

 

Ok, ein Zwischenwein geht noch … vor dem schon anfixierten Monteverro kommt noch der Tignanello ins Glas.

 

Antinori, Tignanello, 2020 (150€).

 

Wir machen einen drastischen Preissprung und laden beim nächsten Supertuscan. Die Cuvee aus Sangiovese, Cab Sauv & Cab Franc ist dunkel rubinrot im Glas. Der erste Jahrgang wurde 1971 abgefüllt. Seit 1982 ist die Zusammensetzung jedes Jahr unverändert: 80:15:5. Intensive fruchtbetone Nase (Erdbeere, Grantapfel). Im Mund gesellen sich zum Obst, angenehm verwobene Aromen nach Kräutern und ganz dezentem Karamell. Sehr schön. Uns ist der Wein jedoch auch heute zu dezent. Too much understatement und zu wenig Ausdruck. 9,6.

 

Monteverro, Bolgehri, 2018 (139€).

 

Der Monteverro spielt in der gleichen Preisliga wir der Tignanello und ist doch deutlich intensiver, strukturierter, feiner und ausdrucksstärker. Während der Lamarein auf Power und Druck getrimmt ist, kommt der Monteverro deutlich eleganter rüber. Die Cuvee aus Cab Franc, Cab Sauv, Merlot & Petit Verdot kommt mit einem wunderbar ausgewogenen dunklen Beerenmix auf allen Geschmacksknospen an. Intensive und elegante Würznoten gleiten geschmeidig durch den kompletten Mund & Rachenraum. Was für ein Göttertrunk. 10,0.

 

Nach diesem Wein geht jetzt endgültig nix mehr. Wir gönnen uns zu guter Letzt den geduldig wartenden Amarone von Bertrani.

 

Bertrani, Amarone, Toskana, 2020 (40€).

 

Also ich sag mal so: Ich habe noch nie einen besseren Absacker getrunken als an diesem Abend. Soviel steht fest. Ist er besser als Tedeschi´s Monte Olm ? Bin mir nicht sicher, aber mein Urteilsvermögen ist nach diesem Geschmacksmarathon zugegebenermaßen eingeschränkt und wie erwartet passt dieser Wein dann auch nicht mehr so wirklich in die Reihe des heutigen Abends. Absacker halt. Bertrani testen wir zu gegebener Zeit noch mal.

 

Und so geht dann auch dieser abgefahrene Abend leider zu ende. Wir gleiten voller Eindrücke und Enthusiasmus durch den Regen zum Hotel …