Überraschung an der Untermosel - Okt 2019

 

Wie sich herausstellen sollte fahren wir auf eine ungewöhnliche Weinreise an die nördliche Mosel. Das Gros der hoch dekorierten Winzer ist an der südlichen Mosel anzutreffen. Als Startpunkt für eine solche Tour würde man sich ein Hotel in der Nähe von Trier suchen. 

Für unsere aktuelle Tour an die Untermosel residieren wir in Dieblich. Auf dem Plan steht das einzigen 4 Sterne Weingut der Gegend: Heymann-Löwenstein. 2019 ausgezeichnet mit 4 Trauben im Gault Millau. Falstaff vergibt für die Weine 89-94 Punkte. Vinum 4 Sterne in 2019. Preislich liegt das Weingut den Punkten folgend ebenfalls im oberen Segment. 
Als zweites Weingut besuchen wir den Lubentiushof. Gault Millau platziert das Weingut bei 3 Trauben und für die Weine zwischen 87 bis 90 Punkte. Insgesamt liegen die Bewertungen der großen Weinpäpste für Heymann-Löwenstein eindeutig höher. 

Es fällt auf, das einzig der Weinblogger Captain Cork den Lubentiushof zum Winzer des Jahres kürt. Preislich liegen die Weine des Lubentiushof deutlich unter denen von Heymann-Löwenstein. Wenn Preis ein Q Merkmal sein soll....

Mit höheren Bewertungen lassen sich allerdings auch höherer Preise am Markt erzielen…

Unsere Erwartungen war also ganz klar voreingestellt. Aber wie immer sind wir offen und neugierig zu den Proben gegangen.

 

Wir starten auf dem Lubentiushof.

Susanne Barth ist mit den Erntehelfern im Weinberg als wir nach einem Termin fragen. Eigentlich ist keine Zeit für eine Weinprobe. Mitten in der Ernte. Das Wetter ist ungünstig und die Winzer sind bemüht die Ernte möglichst im trockenen einzuholen. .... wir dürfen kommen. Fr Barth muss eh zurück zum Hof und das Mittagessen für die Crew holen, also können wir dazu kommen. „Sie haben eine Stunde Zeit. Während ich das Mittagessen zusammenpacke, können Sie zur Probe kommen.“  Wir freuen uns und sind geehrt, dass wir trotz der Belastung mal eben stören dürfen.

Es wurde eine der kurzweiligsten Weinproben seit langem und die 1 Stunde kam uns wie 4 Stunden vor. Frau Barth ist eh noch auf Betriebstemperatur und kommt ohne Umschweife zur Sache. Mit Vollgas geht's durch die unglaubliche Lebensgeschichte der Barth's, bei der nicht von vornherein feststand, dass das Experiment Weingut ein Erfolg werden würde. Andreas Barth bekam vor 25 Jahren von seinem Vater ein Stück Land geschenkt. So brach er kurzerhand das Jurastudium ab und sattelte um. Ohne Vorkenntnisse, ohne jegliche Weinbauerfahrung im Familienumfeld. Einzig mit einem Traum und der unbändigen Entschlossenheit, diesen für sich und seine Familie wahr werden zu lassen. Mittlerweile kümmert sich Andreas Barth um das Weingut Von Othegraven und Susanne Barth um die 5ha des Lubentiushof. Die Weine auf dem Lubentiushof werden ohne Zugabe von Hefen ausgebaut und verbleiben ungewöhnlich lang im Faß. Die Gärung wird teilweise erst beendet, wenn Platz für die neue Ernte geschafft werden muss. Dh wir reden hier über Gärzeiten von 150 bis 250, anstatt der sonst üblichen ca 30 Tage. Wir mussten während der Erzählungen aufpassen das Verkosten nicht zu verpassen. 

 

 

Es gibt Riesling und wir starten mit dem Einstiegswein Tun und Lassen aus 2017 (9,50€). Eine Multilagen Cuvée, bei der wir eine leichte Restsüße spüren. Allerdings ist der erste Wein für unsere Nasen leider nicht geeignet. Eine intensive Stinker Nase (Sponti Nase) dominiert den Wein. Durch längeres Belüften verfliegt die Note, sorgt aber dafür, dass wir doch eher den Erzählungen von Frau Barth weiter folgen. 7,5.

 

Es folgt der 2017er Gutswein (12,00€). Ebenfalls eine Lagen Cuvée von den 7 Weinbergslagen des Guts. Im Unterschied zum Tun und Lassen sind im Gutswein bereits Trauben der Einzellagen mitverarbeitet. Und ab hier waren wir endgültig nicht nur durch die Aura von Frau Barth elektrisiert, ab hier sprang dann auch der Weinfunke zu uns über. Uns empfängt eine enorme Zitrusfrische in der Nase, die ab jetzt zum Merkmal aller Lubentiushof Weine wird. 9,0

 

Als drittes Exemplar folgt der Gäns 2017 (16,00€). Jetzt verliere ich bei den Erzählungen von Fr Barth erstmals den Faden. Ich bin vom Wein derart geflasht, dass ich mich kurzfristig auf nichts anderes konzentrieren kann. Da ist sie wieder die Lubentiushof typische Zitrusfrische. Irre dicht, komplex und sau lecker. Etwas mehr Spaß im Mund als in der Nase. 9.7

 

Als nächstes bekommen wir den Gäns S 2015 ins Glas (30,00€). Auf die Frage ob das S denn wie üblich für Selektion steht, bekommen wir die überraschende Antwort: „Nein, für den Küfer Stockinger, unseren Fass Produzenten“. Na das ist ja super, dann könnte es auch für S wie Susanne Barth stehen. Ausgebaut im 600l Holzfass ist der S elegant, geschmeidig und dicht. Die Zitrusfrische ist etwas dezenter. 9,3. 

 

Die Zeit rennt, Fr Barth ist im Erzählfluss, wir lauschen gespannt und sind noch gespannter auf den nächsten Wein. 

 

Es geht zur 2017 Gäns Alte Rebe (22,00€). Mein Gott, ist das Zeug geil ! Unendlicher Trinkfluss gepaart mit der Lubentiushof Frische. Was für ein Wein. 9,8

 

Fr Barth muss weiter, wir können uns nicht lösen. Also gibt´s noch schnell die Gäns Spätlese 2015 in´s Glas (17,00€). Tja was soll ich sagen. Unser Restsüßwein Fan Thorsten ist leider nicht bei der Tour dabei. Da muss ich ihm wohl ein Exemplar mitbringen. Der Wein kombiniert Zitrusnoten, Melone, Frische und Restsüße im perfekten Einklang. Bestens ausbalanciert. 9,8

 

Ok, einer geht noch: Wir probieren zum Abschluss noch die 2017er Gäns Auslese (22,00€). Die Herkunft des Weins aus dem Hause Lubentiushof ist nicht zu leugnen. Der Wein ist zZt allerdings leider noch zu verschlossen. Daher können wir aktuell nur eine 9,5 vergeben. Der kommt noch, da sind wir uns sicher. 

 

Fr Barth könnte vermutlich noch stundenlang erzählen und wir könnten noch genau so lange elektrisiert zuhören und in den Weinen des Lubentiushof versinken. Wir kaufen ein und fahren voller Eindrücke und Emotionen weiter.

 

Anschließend versuchen wir in Dieblich runter zu kommen und lenken uns mit einem Stück Zwiebelkuchen und einer Tasse Kaffee ab. 

Abends geht’s ins verwunschene Restaurant Alte Mühle von Thomas Höreth. Optisch wirkt es wie ein verwunschenes kleines Hexenhaus. Tatsächlich ist es aber ein relativ großer Laden, der innen in viele kleine Räume und Winkel aufgeteilt ist. Man fühlt sich überall wie in Oma´s Wohnzimmer. Gemütlich. Der Laden ist eine Institution und wurde in liebevoller Detailarbeit aus einer alten Mühle zu einem urgemütlichen Ort der Gastlichkeit umgebaut. Wir hatten einen entspannten Abend bei Candlelight und reichlich Essen. Einzig der der sprechende Hut fehlte zur perfekten Hogwart Illusion.

Ganz entspannt geht’s am nächsten Tag zum Weingut Heymann-Löwenstein. Schon rein äußerlich unterscheiden sich die beiden Weingüter durch die Größe (15ha) und das individuelle Erscheinungsbild. Innen empfängt uns ein großer uns sehr schöner Verkostungsraum der Platz für reichlich Gäste bietet. Vor Kopf hängt ein riesiger barocker Bilderrahmen. Statt eines Bildes läuft dort eine Diashow über das Weingut, die Reben, die Ernte, die Menschen auf dem Weingut und den Wein. Ein toller Empfang. Man fühlt sich auch hier spontan wohl.

Na dann mal los: Die Probe steht unter dem Motto „The Sound of Slate“. Wir werden bei dem Titel spontan an unsere legendären Verkostungen an der Ahr erinnert: Pinot-on-Slate. Jetzt ist der Spannungsbogen endgültig maximal gespannt.

 

Wir starten mit dem Schieferterrassen 2018 (19€), einer Weinbergscuveé. Sehr intensive würzige und ungewöhnliche Nase. Frische – Fehlanzeige. 8,0.

 

Weiter geht´s mit dem Vom Blauen Schiefer 2018 (21,50€). Der Wein ist trinkreif und wird durch eine leichte Würze und pfefferige Noten dominiert. Interessant. 9,0.

 

Wir testen als nächstes das GG Kirchberg 2018 (27,90€). Und da sind sie wieder die Kräuternoten. Wir müssen spontan an Almdudler denken. Und dann sind da noch grüne Bohnen. Auch dieser Wein fällt bei uns in die Rubrik interessant. Wir würden ihn jedoch nicht kaufen. 8,7.

 

Als nächstes GG bekommen wir den Stolzenberg 2018 ins Glas. Der erste H.L. bei dem wir die typische Rieslingfrische finden. Insgesamt wirkt der Wein jedoch etwas zu herb. 8,4.

 

Beim GG Röttgen bekommen wir die Chance den 2018er gegen den 2016er (28,90€) zu verkosten. Wegen des Eisengehalts im Boden erkennt man im Glas ein deutlich dunkleres Gelb als bei den andern H.L. Weinen. Der 2018er zeigt eine angenehme Säure, schmeckt nach Apfel und ist leicht nussig. Apfelcrumble. Sehr lecker. 9,5. Im direkten Vergleich dazu ist der 2016er deutlich reifer und runder. Die Fruchtnoten sind prägnant und lassen Feige und auch wieder etwas Apfel erahnen. 9,7

 

Nach diesem für uns dann doch positiven GG ging´s weiter zum 2018er GG Uhlen Blaufüsser Lay (33,50). Angebaut auf Schiefer und in extremer Terrassenlage finden wir einen Wein mit herber Säure und verschlossener Frucht vor. 8,0.

 

Ganz anders ist da der Uhlen Laubach GG aus 2018 (34,90). In dieser Lage finden sich signifikante Mengen fossile Einschlüsse im Schiefer. Dieses GG überzeugt durch eine sehr angenehme Nase, wobei auch hier die Zitrusfrische sehr verschlossen ist. 9,2.

 

Zum Schluss dürfen wir noch die 2015er Auslese Uhlen Roth Lay testen. Spannende Fruchtsüße mit Anklängen von Mirabelle und Aprikose. Nett. 8,7.

Unser Fazit:

 

Tja und jetzt stehen wir da mit unserem kurzen Hemd. Das in der Presse eindeutig höher positionierte Weingut schneidet bei unserer kleinen Verkostung im Kreis von 4 Genussenthusiasten eindeutig schwächer ab als der Lubentiushof. Aber so ist das nun mal mit dem individuellen Geschmack. Die Weine von Heymann-Löwenstein werden mit der gleichen Sorgfalt an- und ausgebaut wie auf dem Lubentiushof. Auf beiden Weingütern haben wir Rieslinge aus der gleichen Moselregion verkostet. Und dennoch schmecken die Weine komplett unterschiedlich. Dieser signifikante Unterschied der Weine beider Weingüter zeigt welchen Einfluss die spezifischen Lagen auf den finalen Geschmack haben. Das Mikro-Terroir entscheidend in diesem Fall sehr deutlich und führt zu völlig unterschiedlichen Weinen.

Sind die Weine von einem Weingut besser als von dem anderen? Das muss am Ende jeder für sich selber entscheiden. Geschmack bleibt am Ende immer subjektiv. Und somit ist Fakt dass uns ganz persönlich im Kreis einer kleinen subjektiv geprägten Gruppe die Weine des Lubentiushof eindeutig besser schmecken. Unser persönlicher Geschmack ist und bleibt die Grundlage all unsere Bewertungen.