Flugriesling - oder - warum lassen Spitzenwinzer ... - Jan 2020

Warum lassen Top Winzer ihre Gottesgetränke über den Wolken ausschenken?

 

Ich befinde mich mal wieder über den Wolken. In all den Jahren habe ich es mir abgewöhnt auf einem Langstreckenflug Wein zum Essen zu genießen. Warum? Weil es kein Genuss ist.

 

Ich habe es in der Vergangenheit immer mal wieder versucht. Mit Roten und mit Weißen. Das Resultat ist aber immer das gleiche. Die Weine schmecken schlichtweg nach nichts, außer nach Alkohol.

 

Physikalisch ist das auch relativ leicht verständlich. Durch den niedrigeren Luftdruck machen sich sämtliche Weinaromen sofort auf den Weg Richtung Klimaanlage des Flugzeugs! Das blöde an dieser Physik ist, dass der Klimaanlage die Weinaromen egal sind und ICH auf diese Weise nichts von den Weinaromen habe 😫.

 

Und doch.... irgendwie muss es vielleicht ja schmecken, oder warum werden in 10000m Höhe diese vergleichsweise großen Mengen Alkohol - und dabei landet der Wein nicht auf dem letzten Platz - ausgeschenkt?

So ergab es sich auf einem meiner Flüge, dass vor mir plötzlich die Stewardess mit ihrem Servierwagen und einer Flasche Vollrads Riesling stand. Ich musste nicht lange überlegen und beschloss kurzerhand einen erneuten Rieslinghöhenversuch, aber diesmal mit einem Wein dessen Geschmack und Geruch mir aus den vielen Jahren ungehemmten Schloss Vollrads Genuss bekannt ist.

 

Es war also der passende Moment einen 2017er Riesling von Schloss Vollrads über den Wolken mit meinem Geschmackbild vom erdgeschössigen Genuss zu vergleichen.

Die Rieslinge von Schloss Vollrads bestechen auf der Erde durch ihre Zitrusfrische und ihre Leichtigkeit, Apfel, Grapefruit, Pfirsich und schöner Mineralität.

 

Das ist normalerweise auch bei dem hier ausgeschenkten einfachen Riesling der Fall.

 

Die Flasche wurde für die Sitzreihe vor mir frisch geöffnet, so das ich sicher sein konnte, dass der Wein nicht schon stundenlang im Flieger ausdünsten musste.

Schon die typischen Luftfahrt-Weingläser lassen meine Skepsis wachsen. Physikalisch können in solch einem Glaskörper schon aufgrund der Form keinerlei Aromen aufgehalten werden. Bei dieser Glasform ist es dann übrigens auch egal wie voll das Glas ist. Zitrusduft ade. Nasensex Fehlanzeige. Logischerweise war dann auch der erste Schluck katastrophal. Man kann mit viel Phantasie Riesling, eher noch einfach nur Weißwein erkennen.

 

Also habe ich das kleine Schälchen mit den Nüssen auf das Glas gestellt, in der Hoffnung die ggf noch vorhandenen Aromen aufzuhalten....Negativ 🤨.

 

Ok, da war ja auch ein Spalt frei 🙄.

 

Im nächsten Versuch musste kurzerhand mein Handy auf das Glas. So war zumindest mal das Glas perfekt abgedichtet. Bei dem überdimensionierten Handy im Vergleich zum Flug-Miniatur-Weinglas bestand während der kompletten Versuchsdauer die latente Gefahr des Scheiterns, verbunden mit einer nassen Hose. Glücklicherweise war der Flug ruhig und der Aufbau blieb stabil stehen. Ich konnte das Handy also gleich ein paar Minuten länger drauf liegen lassen. Die komplette Versuchsapparatur habe ich dann vorsichtig zu meinem Gesicht geführt und erst kurz vor der Nase das Handy vom Glas entfernt. Von meinen Sitznachbarn wurde ich Gott sei Dank nicht weiter beachtet, da sie alle in den neusten Fast & Furious Action Streifen mit Vin Diesel und Co vertieft waren. Und dann war es soweit: ich halte meinen Rüssel direkt und blitzschnell - fast, but not furious - in das Miniaturglas. Und? ....ich suche und finde....nichts😭.

 

Keinerlei der typischen und bei Vollrads immer ausgeprägten Riesling Aromen. Keine Zitrone, keine Mineralität, keine Frische, .....

 

Völlig frustriert habe ich mir dann noch einmal zum Hauptgang nachschenken lassen. Geschmeckt hat der Wein aber auch mit dem Essen nicht ... wie sollte er auch....

 

Alkohol im Flieger ist prima dazu geeignet die nötige Bettschwere zu erlangen, um auf den harten Flugzeugliegen in Schlaf zu finden. Alternativ lässt sich das Zeug natürlich auch dazu nutzen, sich einfach nur sinnfrei zu besaufen 😉. Schade um die vielen Flaschen guten Weines ist es aber allemal.

 

Zumindest bin ich jetzt für den Rest meiner Tage vom Wein in 10000m Höhe geheilt. Da bleibe ich doch weiterhin bei meinem profanen Wasser und freue mich auf den nächsten Genussmoment nach meiner Rückkehr von der Reise.

 

Womit ich zu meiner Ursprungsfrage zurück kehre:


Warum lassen Top Winzer ihre Gottesgetränke über den Wolken ausschenken?

 

Da es das Geschmackserlebnis nicht sein kann, tue ich mich auch schwer mit dem Gedanken, dass der Konsum eines Flugweines später zu einer Steigerung der Verkaufszahlen an GourmetEnthusiasten führt. Wohl aber führt der Verkauf an die Fluggesellschaft zu einem gewissen Grundumsatz auf dem Weingut. Wenn's hilft .....