Shanghai - Feb 2019

Hammer Weine zur Hammer Aussicht

Man muss Karneval nicht unbedingt in Deutschland verbringen. Man kann dazu auch ins verregnete Shanghai reisen. Dauerregen, dafür aber mäßige Temperaturen. Was daran attraktiv sein soll? Na der Wein natürlich. Rebensäfte schmecken nicht nur in Deutschland.


Wir hatten die Gelegenheit einem kleinen Jubiläum beizuwohnen, und bei 1 bis 2, bis 3 Glas Wein die Aussicht auf den Sunset in Shanghai zu genießen.


Dinner im Sun Chateau direkt am berühmten Bund von Shanghai. Und was soll ich sagen es gab doch tatsächlich geile Weine zur geilen Aussicht. Wer da wohl seine Finger im Spiel hatte......

 

Wir erreichten den Genusstempel mit perfektem Blick auf die monumentale Skyline mit ihrem Pearl Tower. Neben dem Shanghai World Financial Center oder auch nur Flaschenöffner genannt, über dessen Glasboden man im 100sten Stock in 474 m Höhe man schreiten kann, ist inzwischen ein neuer noch höherer Tower entstanden. Der Shanghai Tower ist mit 632m das 2t höchste Gebäude der Welt. Der leicht verdrillte Stift bringt mich dann gleich zum Thema: wo ist denn hier der Korkenzieher...


Es ist schon beeindruckend wenn die Sonne über SHA langsam untergeht und die spektakuläre Kulisse maximal illuminiert wird.


Lässiges Schlendern, lockere Gespräche. Der perfekte Einstieg dazu: ein Glas Champagner und ein paar Canapés.

 

Moet Chandon, Imperial Brut (41,80€ in D). Eine Cuveé aus Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay und eine Assemblage aus 100 verschiedenen Weinen. Was für ein Aufwand. Das Ergebnis im Glas ist klar, würzig und herb. Es schmeckt nach Zitronenschale, trocken, süffig und lecker. 8,4. Der Abend kann lässig weiter gehen.

 

Zu den typisch chinesischen Kleinigkeiten die vor dem Essen an den 10er Drehtischen serviert werden, passt der Basssermann Jordan Forst Riesling von 2017 perfekt.
Gewöhnungsbedürftig ist hier nur das etwas traditionelle Etikett. Es wirkt ein wenig verstaubt, ganz im Gegenteil zum Wein: wie erwartet ist er weich und kommt wegen seiner intensiven Zitrusaromen frisch daher. Könnte allerdings etwas dichter sein. Das ist bei dem Preis (14€ in D) aber verzeihbar. 8.0.

 

Zum Menü kommt sie dann, die absolut stimmige Auswahl roter Rebensäfte.


Los ging´s mit dem Cote du Beaune Village von Louis Jadot aus dem Jahr 2014 (25,30€ in D). Typischer Spätburgunder, im Barrique ausgebaut. Perfekt gereift und ausgestattet mit allen zugehörigen Aromen von Kirsche, über Jo-Beere, bis zur Himbeere. Handwerklich gut gemacht. Es fehlt etwas Ausdruckskraft. Die Nase ist zu schwach um zur absoluten Weltspitze aufzuschließen. 9,5.

 

Und dann war es endlich soweit !! Nach Jahren des weintechnischen Darbens kam ich endlich mal in den Genuss eines echten Henschke. DAS Ikon Weingut schlechthin aus Australien. Henschke ist weltberühmt wegen seines monumentalen Shiraz Hill of Grace. Der Ikon Wein ist für schlappe 730€ im Handel verfügbar, wenn man denn die Chance hat eines der wenigen
Exemplare zu erwischen.


Wir begnügen uns an dem Abend mit seinem kleinen Bruder, dem Keyneton Euphonium Shiraz von 2013 (49,90€ in D). Schon der kleine Henschke lässt erahnen was im Großen stecken muss: Wunderbare intensive Blaubeernase, Pflaume, etwas Kirsche, geiler Schmelz, intensiv und lang. Maskulin trocken. 9,7.
Der Hill of Grace muss irgendwann mal durch meine Kehle.

 

 

Die starre Sitzordnung hat sich zwischenzeitlich aufgelöst. Sollte hier und da freudige Anspannung vor dem Eintreffen der Gäste spürbar gewesen sein, so ist diese mittlerweile vollkommen in wohlige Entspannung übergegangen. Folgerichtig ging's dann noch zum Absacker an die Bar und auf die Terrasse des Sun Chateau. Es gibt wohl kaum eine bessere Gelegenheit als jetzt geschmacklich noch einen oben drauf zu setzten:


Das Weingut Irvine hat uns bereits auf der ProWein 2017 mit seiner kompletten Kollektion geflasht. Beste Lagen im Barossa und Eden Vallley, gelegen in direkter Nachbarschaft zu den berühmten Kollegen von Penfolds und Henschke besticht das Weingut mit einer absolut wahnwitzigen Kollektion zu immer noch erstaunlich fairen Preisen. Zum heutigen Höhepunkt des orgastischen Augenschmaus - der voll beleuchteten Skyline von Pudong - passt das Top Gewächs von Irvine. Der Gran Merlot aus dem Jahr 2013 ist geradezu perfekt. Das Gelände für den Gran Merlot wurde erste 1983 bestockt und ist damit noch vergleichsweise jung. Das dort trotzdem ein solch irrer Tropfen entstehen kann muss am extrem guten Wasserhaushalt des mit Sand versetzen Kiesboden liegen. Irvine bietet den Wein für 130 AusD an. Das
entspricht ca 81€. In unserer Eventlocation in Shanghai wird der Wein mit einem Aufschlag von nur ca 50% angeboten. Interessant in dem Zusammenhang ist, dass der in Deutschland signifikant günstigere Henschke Keyneton in China genausviel kostet wie der Gran Merlot von Irvine.

 

Seit 2017 schmerzlich vermisst, haben mich meine Erinnerungen nicht im Stich gelassen. Was für ein Monument fließt da elegant und geschmeidig über meine Sinnesorgane. Die perfekte Balance zwischen Fruchtnase und Straffheit. Beeren überall und trocken zugleich. Feminin und Maskulin auf einmal. Power und zugleich sanft. Sagte ich schon dass das Zeug unendlich lang ist. Und so war es uns eine große Ehre die letzten Flaschen aus dem Restaurant
leeren zu dürfen. 10,0.


Diesen Abend werden wir so schnell nicht vergessen.

 

Retrospektiv.... und was war vorher noch so passiert?

 

Enoteca im IPAM Shanghai


Zur Einstimmung hatten wir Gelegenheit uns in einer kleine Enotoca im IPAM auf das kommenden Genussevent einzustimmen. Der Laden ist zwar klein, hat aber eine sensationell gute Auswahl. Die Kette ist mit insg. 7 Läden
in Japan und jetzt eben auch in SHA vertreten. Die Enoteca ist ausschließlich bestückt mit Weinen namhafter Winzer. Auffällig ist, dass der Laden - völlig unüblich für eine chinesische Weinsauwahl - nicht nach dem Preis sondern tatsächlich nach der Weinqualität bestückt ist!! So sind zahlreiche auch preisgünstige Top Weine vertreten. Theresa Breuer's Riesling Sauvage für faire 220RMB (verfügbar in Deutschland für 10€), oder der zurzeit in Europa gehypte noch günstig zu erwerbende Chateau Pedesclaux 2015 aus Paulliac für 550RMB (den gibt's in der EU aktuell für ca 35€).


Da wir nur begrenzt Zeit hatten entschieden wir uns für eine kleine Flasche vom Weingut Ama. Den Chianti Classico vom Castello di Ama habe ich das letzte mal vor über 20 Jahren in der Toskana genossen. Auf dem Weingut hat inzwischen die Tochter das Regiment übernommen. So war ich gespannt was mich nach so langer Zeit erwarten würde. Ich habe ihren ersten Jahrgang im Glas. Auf den ersten Blick hat sich auf jeden Fall schon mal das Etikett geändert.


Der Ama, 2015, Chianti Classico (Preis in D 22€) ist dunkelrot, frisch und fruchtig. Viel Kirsche und Kräuter. Kein schlechter Chianti. Leider bleibt aber die Charakteristik der Chiantis unverändert: Auf Dauer stört mich das Tannin und meine Erinnerungen an vor über 20 Jahren habe mich nicht im Stich gelassen: 8,7.

 

 

Und dann gab´s noch eine witzige Begegnung in einem namhaften Hotel in Nordchina. Es war einer dieser Abende bei denen das Dinner nebensächlich und die Tischgespräche im Vordergrund standen. Volle Konzentration. Und dann das:

 

Zum Essen wird ein Bernard Magrez Chateau La Tour, 2015 (in D 29,99€) serviert. Eine Cuveé aus 56% Merlot, 40% Cabernet Sauvignon, 3% Petit Verdot und 1% Cabernet Franc. Ein 4eme Cru Classé der gar nicht so übel ist. Tiefes Rubin, Cassis, Brombeere, gepaart mit einer überraschend leichten mineralischen Note. Das Tannin ist zurückhaltend, wodurch der Wein bereits jetzt trinkreif ist (Haltbar bis 2021). Und die Sensation: der vergleichsweise günstige Bordeaux ist nicht
nur in Luxushotels in China, sondern auch in D bei Lidl verfügbar. 8,7.

 

Land Weingut Wein Ausbau Jahr Preis Trinkreife Bewertung 2019 Udo´s
Weiß
France, Champagne Moet & Chandon Imperial Brut Champagner   41,80   Feb 2019: Cuveé aus Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay und eine Assemblage aus 100 verschiedenen Weinen. Das Ergebnis im Glas ist klar, würzig und herb. Es schmeckt nach Zitronenschale, trocken, süffig und lecker. 8,4
Deutschland, Rheingau Bassermann, Jordan Forst - Riesling Ortswein 2017 14,00 2018 - 2022 Feb 2019: Weich, kommt wegen seiner intensiven Zitrusaromen frisch daher. Dezente Mineralität. Könnte allerdings etwas dichter sein. Das ist bei dem Preis aber verzeihbar. 8,0
Rot
Italien - Toskana Castello di Ama Ama   2015 22,00 2019 - 2025 Feb 2019: Dunkelrot, frisch und fruchtig. Viel Kirsche und Kräuter. Kein schlechter Chianti. Leider bleibt aber die Charakteristik der Chiantis unverändert: Auf Dauer stört mich das Tannin und meine Erinnerungen an vor über 20 Jahren habe mich nicht im Stich gelassen. 8,7
France - Bordeaux Magrez, Bernard Chateau La Tour - Carnet   2015 29,99 2016 - 2021 Feb 2019: Eine Cuveé aus 56% Merlot, 40% Cabernet Sauvignon, 3% Petit Verdot und 1% Cabernet Franc. Ein 4eme Cru Classé der gar nicht so übel ist. Tiefes Rubin, Cassis, Brombeere, gepaart mit einer überraschend leichten mineralischen Note. Das Tannin ist zurückhaltend, wodurch der Wein bereits jetzt trinkreif ist (Haltbar bis 2021). Und die Sensation: der vergleichsweise günstige Bordeaux ist nicht
nur in Luxushotels in China, sondern auch in D bei Lidl verfügbar.
8,7
France - Burgund Jadot, Louis Cote du Beaune Village   2014 25,30 2017 - 2024 Feb 2019: Typischer Spätburgunder, im Barrique ausgebaut. Perfekt gereift und ausgestattet mit allen zugehörigen Aromen von Kirsche, über Jo-Beere, bis zur Himbeere. Handwerklich gut gemacht. Es fehlt etwas Ausdruckskraft. Die Nase ist zu schwach um zur absoluten Weltspitze aufzuschließen. 9,5
Australien - Barossa Valley Henschke Keyneton Euphonium Shiraz   2013 49,90 2015 - 2027 Feb 2019: Cuveé aus 57% Shiraz, 26% Cabernet Sauvignon, 12% Merlot und 5% Cabernet Franc. Wunderbare intensive Blaubeernase, Pflaume, etwas Kirsche, geiler Schmelz, intensiv und lang. Maskulin trocken. 9,7
Australien - Barossa Valley Irvine Gran Merlot   2013 130 AusD (ca 81€) 2014 - 2023 Feb 2019: Die perfekte Balance zwischen Fruchtnase und Straffheit. Beeren überall und trocken zugleich. Feminin und Maskulin auf einmal. Power und zugleich sanft. Waldbeeren, Kompott, Tabak, Mokka, perfekt eingebundenes Tannin. Sagte ich schon dass das Zeug unendlich lang ist. 10,0