ProWein - März 2025

Tag 2 - Bulgarien

Bulgarien ist auf der „europäischen“ Landkarte noch nicht so richtig angekommen. Dabei geht die Weinbautradition über 5000 Jahre zurück und ist somit ähnlich traditionell wie der Weinbau Georgiens. Bulgarien weist heute ca 56.000 ha Rebfälche aus. Deutschland hat zum Vergleich ca 100.000 ha und Georgien liegt mit ca 55.000 ha praktisch gleich auf. Zur Zeit des römischen Reiches wurden bulgarische Weine nach Griechenland, Sizilien, Türkei und Ägypten exportiert. Unter islamischer Herrschaft kam der Weinbau bis 1878 praktisch komplett zum erliegen. Erst nach dem ersten Weltkrieg kam der Weinbau Bulgariens wieder richtig in Fahrt und fokussiert sich ähnlich wie in Georgien stark auf autochthone Rebsorten. Erst 1990 wurde das Weinbau Monopol abgeschafft und die meisten Betriebe privatisiert. Aufgrund der hervorragenden Anbaubedingungen lockt das Land in jüngster Zeit ausländische Investoren an, so dass davon auszugehen ist, das der Boom gerade erst am Anfang steht.


Wir werden Bulgarien in kürze selber besuchen um uns von den Anbaubedingungen und der Qualität vor Ort inspirieren zu lassen. Und so lag es nahe auf der diesjährigen ProWein dem Land schon einmal vorab einen Besuch abzustatten.

 

Orbelia

Das Weingut liegt im Südwesten Bulgariens nahe der griechischen Grenze. Das Klima wird durch die nahe Ägäis und den Fluss Struma beeinflusst. Die Flächen wurden 2007 erworben und seit 2013 produziert Orbelia Wein.


Orbelia, Sandanski Misket, 2024 (ca 8,60€).
Produziert aus der autochthonen Rebe Sandanski Misket ist der Wein fruchtig und frisch. Mit seiner niedrigen Säure ist er süffig und leicht bekömmlich. Einfacher Alltagswein. 7,0.

 

Orbelia, Melnik Rose, 2023 (ca 8,60€).
Produziert aus der populärsten autochthonen Rebe der Region, Shiroka Melnik. Blass Rosa im Glas fehlt es dem Wein leider an Ausdruck und Länge. 7,5.

 

Orbelia, Melnik 55, 2022 ( ca 8,60€).
Kräftiges Dunkelrot. Geschmacklich dominiert durch dunkle Beerenfrucht. Dezente Würze und ausgewogenes Säuregerüst machen diesen Wein zu einem runden, ausgewogenen und süffigen Rotwein. Wir sind zum ersten Mal geflasht. 9,0.

 

Orbelia, Essentials, Red Blend, 2022 (ca 7€).
Traditioneller Blend westlicher Reben (Cab Sauv, Merlot, Syrah, Cab Franc) zeigt welches
Potential die Region auf die Flasche bringen kann. Fruchtdominierte Nase. Im Mund Blaubeere, Karamell, Vanille. Eher maskulin ausgebaut. Sehr spannender Wein. 9,0. Wegen des Preis gehen wir auf 9,3.

 

Orbelia, Via Aristotelis, Cab Franc, 2020 (ca 12€).
Preislich sind wir jetzt schon fast bei Preisen etablierter Weingüter. Cab Franc gehört jetzt auch nicht zu den autochthonen Reben der Region, zeigt aber wiederum welches Potential in der Region steckt. Sehr dichter Beerenkompott dominierter Wein. Blaubeere, Mokka, dunkel Schokolade. Großartig !! 9,6.

 

Orbelia, Early Melnik, Estate Reserve, Single Vineyard, 2021 (ca 18€).
Von dem Wein werden nur etwa 1000 Flaschen produziert und kommen von 13 Jahre alten Reben (was im internationalen Maßstab noch nicht sonderlich alt ist). Reife dunkel Beerenaromen, dezent würzig. Insgesamt erfüllt dieser Wein (noch) nicht unsere Erwartungen an eine handselektierte Auslese. 9,0.

 


Insgesamt sind wir nach dem ersten bulgarischen Weingut allerdings mehr als positiv überrascht. Hier schlummert ein riesiges Potential !

 


Wir ziehen weiter zu einem der aus der Presse aktuell wohl bekanntesten Weinguts Bulgariens:

 

Domaine Boyar

Nach der Abschaffung des Weinbau Monopols hat sich Boyar zu einem der größten Weingüter Bulgariens entwickelt. Pro Jahr werden ca 100.000 Fl produziert. 2003 hat Boyar das „Boutique“ Weingut Korten zugekauft. „Boutique“ ist allerdings bei über 2300 Barrels relativ. Wir verkosten Weine beider Güter.

 

Boyar, Deep Red Cuveé, 2022 (ca 9,5€).
Cuvee aus Cab Sauv, Cab Franc und Carmenere präsentiert sich in sattem Violett. Kräftiger
Rotwein mit viel dunkler Frucht und samtigem aber kurzen Abgang. Der Wein macht einen
außergewöhnlich eleganten Eindruck. Hier überrascht uns nicht nur Bulgarien, sondern ein „Massenproduzent“ im speziellen. 9,2.

 

Boyar, Platinum Cabernet Sauvignon, 2023 (15€).
Überraschend gut strukturierter Cab Sauv. Kirsche, Cassis, cremig, Tannin gut eingebunden. 9,4.

 

Korten, Grand Vintage, 2022 (ca 18€).
Bordeaux Blend dominiert durch Aromen von schwarz Jo-Beere und etwas Schokolade. Insgesamt sehr ausgewogen, dabei eher auf der maskulinen Seite. 9,3. Bei dem Preis ist der Wein für uns eine 9,8 !

 

Villa Melnik

Ebenfalls im Strumatal ansässig pflanzte Villa Melnik 2004 mit breitblättriger Melnik, frühreifer Melnik (Melnik 55), Melnik 1300 Jubilee, Ruen, Mavrud, Tamianka, Kerazuda und Sandanski Misketerste autochthone Reben an. Dazu die klassischen Sorten Cab Sauv, Merlot, Syrah, Pinot Noir,Chardonnay und Viognier. Das Weingut verfügt über ca 35ha Rebland  und baut die Weine seit 2013 im neuen Weinkeller nach dem Gravitationsprinzip aus. Beste Voraussetzungen für das noch junge Weingut.

 

Bergulé, Mavrud & Melnik, 2020 (10€).
Die 1:1 Cuveé der beiden autochthonen Rebsorten wird in Edelstahl ausgebaut und ergibt einen einfachen, dichten und cremigen Rotwein. Dunkles Obst und weiches Tannin. 8,7.

 

Aplauz, Shiroka, Melnik, Reserve, 2021 (16,5€).
Fruchtig, würziger Wein mit einer Spur zuviel Tannin für unseren Geschmack. 8,5.

 

Melnik Family Tree, 2022 (22€).
Ein Wein aus 6 verschiedenen Melnik Kreuzungen. Dieser Wein macht so richtig Spaß. Brombeere, Schwarzkirsche, Tabak, etwas Pfeffer. Der Wein ist dicht und lang. 9,2.

 

Melnik Jubilee 1300, 2021 (22€).
Melnik Jubilee ist eine lokale Rebe, entstanden aus einer Kreuzung von Melnik mit der georgischen Rebe Saperavi. Tief dunkel Violett. Pflaume, Brombeere, Lakritz, Schokolade. Tannin und Säure in perfekter Balance. Lang. Top ! 9,6.

 

Shiroka, Melnik, Bush Vine, 2021 (22€).
Reife rote Früchte, Tabak, kräftig. Ein Wein mit enormen Potential. 9,3.

 

 

Aplauz, Cabernet Sauvignon, Reserve, 2021 (13€).
Typischer Cab Sauv, bei dem aktuell leider das Tannin die Frucht verdeckt. 9,2.

 


Unser Fazit nach 3 besuchten bulgarischen Weingütern: Wir sind maximal geflasht von der durchweg hohen bis sehr hohen Qualität der verkosteten Weine. Wir sind noch mehr begeistert von der Vielfalt der für unsere Geschmacksknospen neuen Aromen Kombinationen die sich aus dem Ausbau der autochthonen Rebsorten ergibt. Wir freuen uns auf den Besuch in Bulgarien und die Chance unsere Erfahrungen mit diesen Weinen zu vertiefen.