Noch ein Wort zu den Bewertungen:
Bei den Gerichten vergeben wir Sterne ausschließlich nach persönlichem Geschmackserlebnis. Davon max. 3. Nach mittlerweile über 10 Jahren Kochen, lies es sich jetzt nicht mehr vermeiden: Wir haben tatsächlich in absoluten Ausnahmefällen auch schon mal 4 Sterne für ein Gericht vergeben.
Bei den Weinen vergeben wir Udo s auf einer Skala von 1 bis 10. Wir versuchen alle Weine relativ zueinander zu bewerten. Über die Jahre fällt das natürlich schwer, da ein Geschmackserlebnis aus der Vergangenheit natürlich nicht mehr so präsent ist, wie das Aktuelle. Trotzdem kommt es immer mal wieder vor, dass wir an alten Bewertungen Korrekturen vornehmen. Z.B. wenn eine aktuelle Top-Bewertung auftaucht, die alte Aussagen relativiert.
Sind wir berechenbar? Ja klar. So wie alle Weinkritiker! Auch wir haben unsere Lieblingsweine, -trauben, -regionen und Ausbauarten.
Beim Weißwein ist das ganz einfach. Hier sind wir geprägt durch den Riesling. Klar gibt es auch andere tolle Trauben. So gibt es gerade in Deutschland in jüngster Zeit mehr und mehr herausragende Chardonnays zu entdecken. Am Ende überwiegen aber die positiven Erlebnisse mit der Riesling Traube. Treffend bringt es Stuart Pigott in seinem Plant Riesling auf den Punkt: Riesling ist die Traube, die die größte Vielfalt auf die Flasche bringt. Von knochentrocken bis honigsüß und von federleicht bis superschwer. Hinzu kommt, dass der Riesling (noch) frei von Modewellen und somit kein Massenprodukt ist. Auch haben Gott-sei-Dank die neureichen Konsumenten mit ihrer Status orientierten Wein-Einstellung den Riesling noch nicht für sich entdeckt. 3-stellige Preise sind hier immer noch die Ausnahme und echte Topkreationen sind zT für unter 10€ zu haben. Das Grandioso-Sortiment bewegt sich zw. 15 und 20€.
Bei den Roten sind wir geprägt durch den Pinot Noir und Spanien mit seinen Trauben. Hier verhält es sich übrigens ähnlich wie beim Riesling. Der Pinot Noir trägt ein ähnliches Potential in sich, verbunden mit einer vergleichbaren Lobby. Er ist auch quer über den Globus verteilt und überall kann man neue Vielfalt entdecken. Und Spanien? Die Spanier überraschen immer wieder mit Topplatzierungen bei großen WeinChallenges und deplatzieren regelmäßig die super teuren, super Parker Bordeaux´s. Auch hier gilt: Der Chinese hat Spanien noch nicht entdeckt und wird es hoffentlich auch noch lange nicht. Spanien bietet für mich mit seiner Rebenvielfalt, den vielen autochonen Rebsorten und den enormen regionalen Unterschieden die größte landestypische Vielfalt im Rotwein. Und auch hier sind extreme Preise immer noch eine Ausnahme.
Aber all das habt Ihr beim Stöbern durch die Listen sicher längst herausgefunden.
Wir beschreiben die Weine so wie uns die Gedanken kommen. Das kann auch schon mal die in Weinkreisen übliche Aromarad-Nomenklatur sein. Tabak, Kirsche oder Vanille alleine sagen uns aber noch nichts darüber, ob uns das Getränk eigentlich geschmeckt hat. Da es sich hier um eine subjektive Bewertung der GourmetEnthusiatsten handelt, ergänzen wir am Ende auch unsere ganz persönlichen Geschmacksimpressionen. Das ist am Ende maßgebend für die Punktzahl.
Im Übrigen ist die eigentlich so objektive Aromarad-Nomenklatur dann doch vollkommen subjektiv. Jeder Mensch interpretiert Duft- und Geschmacksnoten unterschiedlich. Spannend wird es zB wenn man die Bewertungen eines Weines durch verschiedene namhafte oder weniger namhafte Weinkritiker vergleicht. Es ist und bleibt eine komplett subjektive Beurteilung.
Mit der Zeit findet man dann auch "seinen" Weinkrtiker, der geschmacklich auf der eigenen Wellenlänge liegt.
Ein Bsp findet Ihr hier: 2013 Pinot Noir Gladstone - 1 Wein - 8 Testergebnisse
Und was bedeuten unsere Udos ? Na ganz einfach :
< 7 von den Dingern solltet Ihr die Finger lassen;
7 - 8 das Zeug kann man unbedenklich trinken. Ist für jede Fete geeignet, oder einen lauschigen Tag am Strand.
> 8 ab jetzt wird´s langsam spaßig !
> 9 alle Weine ab 9 Pkte aufwärts machen so richtig Spaß !
> 9,5 hierunter sind dann unsere Juwelen versteckt. Nur was für Geniesserabende !
Im Gegensatz zu den meisten bekannten Weinkrtikern, spielt bei unserer Weinbewertung der Preis immer eine Rolle. Es ist durchaus üblich, dass wir einen irre leckeren Wein mit einem irrationalen Preis (i.d.R. im dreistelligen Bereich) abwerten. Weine stufen wir in ihrer Bewertung hoch, wenn ein normal leckerer Wein zu einem überraschend niedrigen Preis angeboten wird.
Wenn Ihr einen guten Rotwein öffnet und der schmeckt völlig unerwartet nach nix, dann muß der Wein nicht unbedingt im Eimer sein.
Rotweine die im Barrique ausgebaut sind verändern im Verlaufe der Zeit auf der Flasche ihren Geschmack. Aufgefallen ist mir der nebenan skizzierte Geschmacksverlauf erstmals bei den deutschen Spätburgundern. Mit der Zeit stellte ich für mich fest, dass das Schema bei den meisten guten Rotweinen gilt. Während der Flaschenreife legt der Geschmack in den ersten Jahren kräftig zu. Nach 3-5 Jahren erreicht ein Rotwein seinen ersten geschmacklichen Höhepunkt. Zwischen dem 6ten und 8ten Jahr trifft man vielfach auf Rote, die wieder in den geschmacklichen Tiefschlaf gefallen sind. Erst danach kommt der Wein wieder und erreicht nach 8-10 Jahren seinen 2ten Höhepunkt.
Passt das für alle Rotweine? Nein. Billigware folgt dem Muster nicht. Und die auf extreme Langlebigkeit ausgebauten Weine, z.B. aus dem Bordeaux, folgen dem Muster auch nicht. Bei diesen Weinen überdecken die intensiven Tannine den Geschmack in den ersten Jahren fast vollständig.
Spannend ist auch, dass sich die beiden Geschmackshöhepunkte z.T. deutlich unterscheiden können. Trifft man im 4ten Jahr meist auf intensive Beeren Noten, so dominieren nach 8-10 Jahren so langsam die herzhafteren Noten. Je nach Wein können die Beeren Noten dann fast vollständig verschwunden sein. Es dominieren Tabak, Leder und animalischen Noten. Ist das besser? Nein, es ist immer noch eine individuelle Geschmackssache. Deshalb verläuft meine Rotweinreifekurve nach 10J auch flach weiter. Der Wein wird anders. Der Wein wandelt sich von "feminin" zu "maskulin". Ist das besser? Nein, Geschmacksache.
Im Allgemeinen versuchen wir allerdings unsere Rotweine im Zeitfenster von 3-5 Jahren zu genießen. Das Spaß-Risiko-Verhältnis verschiebt sich auch bei scheinbar perfekt gelagerten Weinen mit dem Alter zusehend in Richtung Risiko. Auch monumentale Weine überbordender Konzentration sind nicht per se eine sichere Bank im hohen Alter. Auch die hoch dekorierte Weinkritiker haben keine Ahnung wie sich ein aktuell verkosteter Wein in 10 oder 20 Jahren gibt. Hohe Punktezahlen dieser Zeitgenossen sind spekulativ und einer gedachten oder vielleicht sogar geträumten Entwicklung geschuldet. Wirklich vorhersagen läßt sich die Entwicklung kaum.
Insbesondere wenn das Alter der Weine erst einmal die 10 Jahres Schwelle überschritten hat. Irgendwann ist die Oxidation eines Weines so weit fortgeschritten, dass jegliche Frucht Aromen verschwunden sind und die extrem oxidativen Noten dominieren. Was bei Leder anfängt und bei Reifenabrieb aufhört, möchte ich nicht in meinem Glas.
Man kann sicherlich auf Basis einer Qualität im Alter von zB 4 Jahren hoffen und orakeln, wie der Wein im Alter von 10 oder 20 Jahren schmecken sollte. Aufgrund der schier unendlichen Einflußfaktoren, ist eine gesicherte Vorhersage allerdings kaum möglich. Zugegeben, auch ich hatte schon traumhafte Erlebnisse mit alten, ehrwürdig gereiften Weinen. Also gereifet Weine die noch nicht die Schwelle alter Weine erreicht haben. Genauso hatte ich aber auch schon zahlreiche Enttäuschungen, wo ein vermeintlich hoch bewerteter Wein im Alter leider total enttäuschte. Allein aufgrund des finanziellen Risikos versuche ich grundsätzlich meine Weine im Alter von 3-5 Jahren zu konsumieren. In seltenen Fällen hebe ich mir dann schon mal ein Exemplar auf, welches ich nach 10 oder 15 Jahren in hoher Erwartung entkorke. Leider ist die Quote der dann doch enttäuschenden Weine - auch aus berühmten, renommierten Häusern - hoch, zu hoch.
Und Orange Wein? Na ja, neulich hatte ich einen Orange Wein im Glas, der tatsächlich interessant schmeckte und sicherlich zu einem passenden Gang auch gepasst hätte. Für mich sind Orange Weine aber nicht präzise und klar genug, haben für mich störende Noten und insb. die in der Regel fehlende Frische turnt mich ab. Aber das ist ja auch wieder rein subjektiv.
Weinalterung - ein update:
Auf unserer Nordspanien Tour (2019) hatten wir nicht nur die Gelegenheit sensationelle Weine renommierter spanischer Weinmacher zu verkosten. Das Thema Weinalterung war auch immer Thema. So konnten wir bei Artadi den perfekt gelagerten Pagos Viejos aus dem Jahr 2007 verkosten. Wie schon erwähnt eine glatte 10,0. Neben den super präsenten, und angenehmen Noten nach Speck und Rauch, konnte man immer noch dezente Beerennoten identifizieren. Der Wein hatte das große Glück einer perfekten Lagerung im hauseigenen Weinkeller des Weinguts. Kein Transport, keinen Temperaturschwankungen, keine Temperaturextreme in Lagerhallen irgendwelcher Speditionsunternehmen. Einfach nur Ruhe, Kühle und Dunkelheit in einem Winzerkeller.
Im Übrigen konnten wir bei den vorsätzlich lange gelagerten Weine bei Lopez Heredia ähnliches beobachten. Bosconia 2007 und Tondonia 2006 sind ebenfalls perfekt auf dem Weingut gereift. Wie schon erwähnt gehören die Weine von Lopez Heredia zu den Weinen unsere ersten Stunden aus dem Ende der 90er Jahre. Gerade hier haben wir neben vielen tollen Weinmomenten auch unsere ersten negativen Erfahrungen gemacht. Weine die nach der perfekten Lagerung auf dem Weingut leider durch den Transport in deutsche Weinregale viel oder alles an Brillanz verloren haben.
Spannend war in dem Zusammenhang das Statement welches wir im Gespräch auf der Bodegas Mauro zum Thema Weinalterung erhielten: Weine sollten spätestens nach 10 Jahren getrunken werden. Egal welche. Danach sind in der Regel keinerlei der ursprünglichen Weinaromen mehr verfügbar.
Ähnlich hatte sich bereits 2006 das Weingut Kreuzberg uns gegenüber geäußert.
Und tatsächlich ist es so, dass nach 10 Jahren nicht nur die Aromen in Non-Berry Extreme abdriften, noch schlimmer ist, dass nach 10 Jahren langsam kaum noch die von uns gewünschten Tertäraromen wie Portwein oder die von uns so geliebte Schokolade oder Nougat vorhanden sind. Irgendwann driften die Geschmacksnoten ab und gehen – wie man es bei Mauro treffend beschrieb - über zu so leckere Sachen wie Reifenabrieb.
Und so werden nach 10 Jahren zwei Effekte immer dominanter und sorgen für ein hohes Risiko den perfekten Weinmoment eben nicht mehr zu erleben: Die normale Alterung sorgt automatisch für einen Übergang der Beerenaromen über reifen Speck und Rauch hin bis zum unvorteilhaften Reifenabrieb. Die üblichen und kaum zu vermeidenden Transporteinflüsse bei der Lieferung der Weine, vom Winzer irgendwo auf diesem Globus bis in unser Glas zu Hause, können im ungünstigen Fall diesen Vorgang um Jahre beschleunigen. Leider treten die ungünstigen Fälle für uns statistisch doch zu oft auf.