Abadia Retuerta 2021 (by R Düssel)

  Alles begann mit einem Anruf bei meinem geschätzten und weinerfahrenen Kollegen Udo in 2020 als ich in der von ihm empfohlenen Mövenpick-Weinhandlung in Frankfurt stand:

 

"Udo wat soll ich kaufen für heute Abend?"

 

"Nimm das Kloster – heißt in spanisch - Abadia ???“. Den vollen Namen konnte ich mir nicht richtig merken aber die Verkäuferin konnte helfen. Es wurde der Klassiker Selección Especial von der Abadia Retuerta, den wir seitdem ab und zu genossen haben.

 

Jetzt zur Geburtstagsreise meiner Partnerin nach Bilbao (Guggenheim-Museum und seine Entstehungsgeschichte ist genial, unbedingt Mittagessen in dem Bistro und Kaffee auf der Terrasse) bestand der Wunsch auch ein Weingut zu besuchen und eine schöne Umgebung zu haben.

 

Daher also der Besuch der Abadia Retuerta und des dazugehörigen Hotels Le Domaine in Sardón de Duero, Valladolid. Wir kamen von Logroño (auch eine Reise wert) und nach ca. 2:45h erreichen wir mit dem Auto das Ziel.

 

Man fährt über eine lange wunderschöne Zufahrt, die neben den schützenden Bäumen links und rechts des Weges komplett mit Lavendel begleitet wird auf die Abtei zu, die in Mitten von Weinreben liegt.

 

Sie ist ca. 4 km von der Vega Sicilia entfernt und ca. 2 km vom Rande des Ribera del Duero (obwohl der Duero durch das Gebiet der Abadia fließt) und darf sich daher „nur“ mit dem Gebietsnamen Castilla y Leon schmücken.

 

 Man wird sehr freundlich begrüßt und ist gleich gefangen von der Schönheit der Abtei. Es ist traumhaft ruhig, genial renoviert: sehr schlicht, wenig Farbe oder Ablenkung für das Auge, sehr wertig und solide aber überhaupt nicht pompös oder aufdringlich, sondern schlicht, elegant mit der Liebe zum Detail. Einfach schön. Und passend zum Klostergedanken.

 

 Nach dem Einchecken erst mal zu einem kleinen Mittagessen am Pool mit Grill. Ein Hort der Ruhe und wir sind wirklich angekommen. Da muss doch schon mal der Hauswein herhalten: die „Selección Especial“.

 

 Um 16:00 ist die Weinführung gebucht. Ich dachte es ist nicht günstig mit 80 Euro für zwei Personen. Aber es war es wert. Wir wurden an der Rezeption abgeholt und „Fen“ - eine Venezolanerin - fuhr in einem weißen Land Rover mit uns los. Sie hat Sommelier in Venezuela gelernt und es war eine Freude mit ihr und ihrem Wissen.

 

Die erste Überraschung: Novartis. 1988 übernahmen sie - noch als Sandoz – die Abadia im Tausch gegen Schulden der Bauern, da sich der Anbau von Korn für Müsli nicht mehr lohnte.

 

Aus Kornfeldern wurden wieder Weinfelder wie bei den Mönchen, die die Abtei einmal gegründet hatten. Da man auch mit Geldangeboten nicht in das Anbaugebiet des Ribera del Duero aufgenommen wurde hat man die größeren Freiheiten (Rebsorten, Bewässerung) genutzt sich auf die Qualität zu konzentrieren. Heute ist das Weingut über die Region für seine hervorragende Weine bekannt, mit diversen Rebsorten und Cuveés die auch nicht alle so typisch sind für die Region. Allerdings hat Novartis viel investiert und die letzten Jahre sowohl für das Hotel als auch das Weingebiet Verluste in Millionenhöhe generiert. Aber Wein ist ja eine langfristige Investition.

 

 Wir fuhren durch die Weinberge und haben einen tollen Eindruck über das Ökosystem erhalten, so z.B. in welchem Abschnitt der Weinmacher welche Traube pflanzt, wie sie geschützt ist durch die Kiefern oder die leichten Hügel und die Winde. Die Abtei bemisst rund 700 ha, von denen 200 ha unter Wein stehen. Ca. 85% der insgesamt ca. 500.000 Flaschen werden für die Produktion der Selección Especial genutzt. Der Rest verteilt sich auf viele unterschiedliche, z.T. auch sortenreine Weine. Darunter findet sich lediglich ein Weißwein. Seit geraumer Zeit experimentiert das Weingut mit verschiedenen Sorten, u.a. auch mit Malbec, da das zunehmend warme Wetter dem klassischen Tempranillo mehr zu schaffen macht. Mal schauen ob in einem Jahrzehnt mehr Malbec aus der Region kommt.

 

 Schon auf der Fahrt diskutierten wir die Charaktere der Weine, die Fen mit Persönlichkeiten von Menschen verglich. So ist z.B.

  • Grenache die junge aktive Frau, die zu aktiv ist und zu viel produziert. Deshalb steht mehr Unkraut zwischen den Rebstöcken, damit sich die Dame auf das Wichtigste konzentriert
  • Cabernet Sauvignon der elegante Herr, der jung geblieben ist (das hatte sicherlich Einfluss auf das Trinkgeld)
  • Syrah ist weiblich und freundlich elegant
  • Tempranillo ist der bescheidene Mönch

 

Ein paar wunderbare und wie ich finde sehr einprägsame Vergleiche.

 

 Weiter ging´s zur Besichtigung und Weinprobe: Für mich bemerkenswert war, dass keine Pumpen benutzt werden, sondern nur mit der Schwerkraft gearbeitet wird. Hierzu wird der Wein immer wieder in Stahlbehältern mit dem Kran nach oben befördert. Sehr beeindruckend war das Fasslager. 2.500 schönste Fässer in gekühlter Halle. Auch hier wird der Wein im Kreis gefördert und ab und zu von einem ins nächste darunter liegende Fass geleitet.

 

Es war eine tolle Weinprobe:

  • Le Domaine Blanco de Guarda, der eine Weißwein aus Sauvignon Blanc und Verdejo. Gold schimmernd und frische Noten nach Grapefruit. Gerne wieder, auch wenn ca. 30 Euro für Weißwein für mich schon ordentlich sind.
  • Weniger für uns ansprechend waren eigentlich die Tempranillos da nicht so rund und die Tannine etwas zu intensiv im Vergleich zu einigen der Winemakers´ (s.u.) sowie dem Cabernet bzw. dem Syrah.
  • Der Abschluss war ihr Highlight der reinsortige Petit Verdot PV. Ein volles dunkles Rot. Kraftvolle Intensität. Noten von Kaffee und kandierten Früchten (hier brauchte ich Hilfe). Ein schöner langer Abgang.
  • Einen Süßwein aus Tempranillo können wir auch empfehlen: Vendimia Tardia. Dieser Late Harvest wird seit 1999 produziert und nur geerntet, wenn es die Saison zulässt.

 Es gibt auch einige sogenannte Winemakers´ Collection Weine mit nur einigen 100 Flaschen, die auch nur vor Ort verkauft werden, von denen wir einige probieren konnten wie einen sehr schönen und vollen Merlot.

 

6 verschiedene Flaschen musste ich kaufen (als Geschenke und für besondere Gelegenheiten) und wir haben sie auch gut nach Hause bekommen.

 

  Abends haben wir uns für die Vinothek und nicht das auch vorhandene Sternerestaurant entschieden, da wir bei gutem Wetter draußen im Klostergarten sitzen konnten. Dieser ist traumhaft schön und vom Kreuzgang umgeben. Man schaut den Störchen in Ihrem Nest auf dem Turm zu. Vier große Zypressen in den Ecken geben eine besondere Atmosphäre. Und viele Vögel treffen sich in einer und halten Ihre Debatten oder feiern eine Party, man weiß es nicht. Die Sonne geht langsam unter. Einfach wundervoll. Das Essen ist auch sehr gut. Allerdings haben wir eher nur Kleinigkeiten genommen und noch einmal die Weine der Abadia genossen.

 

Den Abschluss bildete neben einer kleinen Radtour durch die Weinberge das Frühstück. Unglaublich: Im ehemaligen Refektorium das wunderschön aussieht und in dem man sich unglaublich wohl fühlt und dass abends das Sternerestaurant beherbergt.

 

Vielen herzlichen Dank für die Empfehlung. Es war etwas sehr Besonderes!

 

Ralf